2.
Als wir Glasgow erreichten, war klar, dass es nicht in Frage kam, am gleichen Tag noch weiterzureisen. Wir aßen Kartoffeln mit Hackfleisch und Zwiebeln und tranken danach Whisky bei einem Pokerspiel vor dem Kohlenfeuer. Wenn ich nicht aufpasse, verliere ich den ganzen Nachmittag, dachte ich mir, während die Karten gegeben wurden. Ich nahm mir vor, es nicht so weit kommen zu lassen - aber schon nach wenigen Minuten hatten der Whisky und die Wärme mir jede Willenskraft genommen.
Es war, als hätte mich eine überirdische Sirene betört, die immer wieder ihr Versprechen von stillstehender Zeit und ungetrübter Freude wiederholte, bis ich ihr schließlich verfiel. Während wir Karten spielten, die Kohlen im Kamin glühten und eine Kellnerin mit Schürze und Haube uns mit Eis für den Scotch versorgte, hörte ich Krick seine bemerkenswerte Lebensgeschichte erzählen.
Ich war zwar auf einem ungewöhnlichen Weg zur Meteorologie gekommen, doch seiner war weitaus verworrener. Nach seinem Abschluss in Physik an der University of California arbeitete er als Radiomoderator und danach als Laufbursche für eine Börsenmaklerfirma. »Chapman de Wolfe & Co.«, sagte er und sprach es wie deutsch »Wolf« aus. »Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, dass die mich nach dem Crash '29 ziemlich schnell auf die Straße gesetzt haben. Mich hat's damals aber nicht so schlimm erwischt - dafür habe ich gesorgt.«
»Wie denn?«, fragte ich und lehnte mich vor.
Er grinste und strich sich die Haare zurück. »Ich habe ein System ausgearbeitet, das nach verschiedenen physikalischen Prinzipien finanzielle Fluktuationen gegen zufällige Ereignisse kalibriert. Seitdem hat sich einiges geändert, aber prinzipiell verwende ich immer noch das gleiche System.«
Kricks Theorie der Börsenzyklen hatte als harmloses Gedankenspiel angefangen, wie er behauptete, aber in den folgenden Jahren hatte er mit seinem System großen Erfolg an der Börse. Der Wall Street Crash war kein Unfall, sagte er. Er war eine notwendige Information in einer größeren Geschichte. Ryman, der sich weniger für Geld interessierte als Krick, hätte ihm zugestimmt. Es gibt keine Zufälle. Jeder sogenannte »Zufall«, jedes Auftreten von Turbulenz, ist Teil einer längeren oder kürzeren Sequenz, deren Ausmaße man nicht sehen kann. Zumindest sieht man sie nicht, bevor es zu spät ist, und dann bekommt man Panik, weil man merkt, wie dumm es war zu glauben, man würde das Ganze verstehen.
Während der Depression verkaufte Krick Klaviere und jobbte als Konzertpianist für das NBC-Orchester. Eine Zeitlang war er auch Radiomoderator. Schließlich kehrte er an die Uni zurück und studierte am Caltech in Los Angeles unter Theodore von Kärmän und Robert Millikan Meteorologie. Es war sonderbar, in einem Glasgower Hotel von diesen Giganten der Meteorologie zu hören - und noch seltsamer, wenn man dabei in einer Hand ein Glas Whisky und in der anderen einen Vierer-Flush hielt.
Während wir sprachen, trank ich mehr und mehr. Ich gewann ein paarmal. Ebenso Krick, der sein großes Gesicht nach vorne lehnte, wenn er den Pot einsammelte. Holzman gewann nur einmal. Während die Karten gegeben, gemischt und als Stapel hingelegt wurden, wirbelte der Rauch unserer Zigaretten und Zigarren an der Eichentäfelung hinauf, die mit Bildern von Sportszenen und trübsinnigen Hochlandrindern geschmückt war. Wie gut ich ihr finsteres Starren kennenlernen sollte.
Krick erzählte beim Spielen noch weitere Anekdoten. »Göring wollte von Kärmän zurück nach Europa locken, damit er den Wetterdienst der Luftwaffe leitete«, sagte er.
»Von Kärmän lehnte ab und schickte Göring einfach nur eine Zeichnung seines jüdischen Profils.« Wir lachten alle. Es war ein Meteorologenwitz, denn ein »Profil« ist auch ein meteorologischer Fachausdruck.
Während Krick erzählte, verstand ich langsam, dass die Anekdoten Ablenkmanöver waren. Die Geschichten sollten die Konzentration seiner Gegner stören - und es funktionierte. Immer wenn er etwas aus seinem Leben erzählte oder eine seiner Lieblingstheorien erläuterte, nahm er uns Geld ab.
Seine Ablenkungsgeschichten gingen weiter. Die beiden hatten sich am Caltech kennengelernt. Dann heuerte Krick bei einer Fluggesellschaft an, wie auch Holzman, der Chefmeteorologe bei American Airlines wurde. Sie fingen an, Geschichten aus der Flugindustrie auszutauschen.
»Bei diesem ersten Job haben die mir häufig Ärger gemacht«, sagte Krick und blätterte seine Karten einzeln auf den Tisch. Ein Paar Zweien - und dann noch einmal das Gleiche. Ein Vierling gegen mein Full House, und schon wieder sammelte er unser Geld ein. »Die hatten damals noch nie etwas von Wetterfronten gehört, und sie hassten es, wenn ich sie auf den Karten einzeichnete. Die Piloten hatten auf jeden Fall mehr davon. So konnten sie sehen, aus welcher Richtung sie Probleme kriegen würden. Berechenbar wie ein kitschiger Film.«
»Irv hat in Hollywood gearbeitet«, fügte Holzman hinzu. »Er war der Wetterprophet für Vom Winde verweht.«
Krick grinste und stapelte unser Geld fein säuberlich vor sich auf. »Ich habe die Nacht ausgesucht, in der sie Atlanta angezündet haben. Dafür brauchten wir klaren Himmel.«
»Und einmal hat er Bogart Tipps zum Wetter für die Ensenada-Regatta gegeben«, sagte Holzman.
»Da habe ich Mist gebaut. Bogie hat es nicht mal nach Mexiko geschafft. Er ist die ganze Zeit in amerikanischen Gewässern geblieben. Totale Flaute.«
Holzman lachte. »Machst du damit weiter, wenn der Krieg vorbei ist, Irv?«
»Wahrscheinlich nicht. Bevor sie mich einberufen haben, habe ich Wettervorhersagen für die Zitrusfrüchteindustrie gemacht. Wahrscheinlich mache ich damit weiter. Da liegt das richtige Geld.«
»Kommerzielle Meteorologie«, nickte Holzman.
»Flugzeugüberführungen sind auch gut«, fügte Krick hinzu. »Wenn vierzig Flugzeuge von A nach B fliegen, darf nichts falsch laufen. Eine meiner ersten Aufgaben in der Air Force in diesem Krieg war, Tage auszusuchen, an denen unsere Jungs sicher über den Atlantik fliegen konnten.«
»Tage mit möglichst geringer Turbulenz?«, fragte ich.
»Nein, nein«, erwiderte Krick. »An so einem Tag würden unsere Freunde von der Luftwaffe nur darauf warten. Wir brauchten gerade genug Turbulenz.« Er holte eine Zigarette unter dem Tisch hervor und blies als Einleitung für die nächste Geschichte einen fast perfekten Rauchring über meinen Kopf ...
Ich habe es immer als schicksalhaft wahrgenommen, dass ich diese beiden am Beginn meines Berufslebens kennenlernte. Nach dem Krieg verfolgte ich interessiert ihre Karrieren von meinem Elfenbeinturm in Cambridge aus und traf gelegentlich einen von beiden auf Reisen nach Amerika. Sie wurden so etwas wie Alter Egos für mich und standen für all die Möglichkeiten, die ich aufgab, als ich mich für den Rückzug ins akademische Leben entschloss.
Später im Krieg arbeitete Holzman an der Wettervorhersage für die Atombombe in Los Alamos. Er blieb seine ganze Karriere hindurch bei der US Air Force und wurde später General und Kommandeur des USAF Research Laboratory. Den gesamten Kalten Krieg über war er an fast jeder wichtigen Forschungsphase der Raketen- und Raumfahrttechnik beteiligt. Seine Sicherheitsstufe war unglaublich hoch, also bekam ich ihn nicht oft zu sehen.
Krick begründete mehr oder weniger die neue kommerzielle Wetterindustrie, wie er es in der Pokerrunde schon angedeutet hatte. Er verkaufte seine Dienste an Baumwollbauern, die wissen wollten, wie die Ernte ausfallen würde. An die Edison Company, denen Stürme zu schaffen machten, die Hochspannungsleitungen beschädigten. An die California Division of Highways, die sich Sorgen über Schnee in den Bergen machte. Die Brooklyn Dodgers, die wissen wollten, ob sie für ein wichtiges Spiel eine Regenversicherung brauchten. Die Forstwirtschaft, Obstbauern, Betreiber von Wasserkraftwerken...
Diese und noch viele andere gehörten zu seinen Kunden. Er war der Meteorologe für die Winterolympiade 1960 und im Jahr darauf für die Vereidigung von Präsident Kennedy. Aber sein größtes Geschäft war der künstliche Regen, für den er Chemikalien, meistens Silberiodid oder Trockeneis, in die Wolken »einimpfte«, um Niederschlag auszulösen.
Krick stieg in dieses auch heute noch umstrittene Geschäft im großen Stil ein und verkaufte Tausende von bodengestützten Generatoren an Bauern überall in den Vereinigten Staaten. Diese Maschinen, die Kristalle in den störrischen Himmel schössen, wurden alle über Funk von einem Komplex in Palm Springs, Kalifornien, gesteuert, wo Krick auch heute noch in einer Villa im maurischen Stil im Schatten des Mount San Jacinto lebt.
Ich habe ihn dort einmal besucht - das Haus hat Marmorböden -, und er war sehr gastfreundlich und servierte Frozen Margaritas. Aber für das US Weather Bureau wurde er bald ein Reizthema. Es gab Anschuldigungen, er sei ein Scharlatan und Betrüger. Ich verstand mich aber immer gut mit ihm, und ich sprach nie das eine Thema an, das meinen Kollegen Sorge bereitete: Möglicherweise war er die Quelle des Gerüchts gewesen, das bis heute in den USA kursierte, dass die britischen Meteorologen mit ihren Vorhersagen für Overlord »versagt« hätten - und dass der D-Day von Krick selbst gerettet worden sei. Erstaunlicherweise behauptete er sogar, es wäre besser gewesen, doch einen Tag früher anzugreifen. Ich sah darüber hinweg.
Diese außerordentliche Zukunft lag vor meinen Pokergegnern. Ich trank viel mehr als ich sollte und verlor mehr Geld, als ich mir leisten konnte. Irgendwann in den frühen Morgenstunden torkelte ich mit halbgeleertem Portemonnaie und offenen Schnürsenkeln Richtung Bett und stieg unsicher eine Treppe hinauf, deren Stufen auf frustrierende Weise neu angeordnet schienen, bevor ich mich in einem Labyrinth aus zusammenhängenden, mit tückischen Teppichen ausgelegten Gängen und Mopp-, Eimer- und Heizungsrohrverstecken verlief. Ich muss wohl im Laufe des langen Nachmittags, der in den Abend mündete, ein Zimmer gebucht und es schließlich auch gefunden haben, aber ich kann mich an nichts davon erinnern.